Im Jahre 2002 erschien bei JUMBO SPIELE ein interessantes Brettspiel namens MODERNE ZEITEN, das an einer mangelhaften Regel litt und infolgedessen leider nur wenig Beachtung fand. Vielleicht erschien das Spiel damals auch einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Sechs Jahre später präsentiert QUEEN GAMES diese Industriegiganten-Perle in neuer, überarbeiteter Aufmachung für alle, die bisher noch nicht um Aktien und Branchenanteilen spekuliert haben. In BATAVIA sehen wir uns aus den blühenden 20er Jahren ins 17. Jahrhundert versetzt, wo sich Kaufleute in verschiedenen Ländern zu Kompanien organisierten, um größere Schiffsverbände in den fernen Osten zu schicken. Die Anteilseigner dieser als Ostindien-Kompanien bekannt gewordenen Handelsverbände versprachen sich reiche Gewinne von diesen Reisen, denn Gewürze wie Pfeffer und Muskat wurden im wahrsten Sinne des Wortes mit Gold aufgewogen.
Um Gold geht es auch in diesem Spiel, der Spieler, der am Schluss das meiste Gold besitzt, gewinnt. Ausgestattet mit 15 Wechseln, 10 Schiffskarten sowie 12 Waren starten wir unseren Abenteuertrip ins ferne Asien. Auf dem Spielplan ist der Weg vorgezeichnet, insgesamt 35 Stationsfelder gilt es bis zum Zielplättchen zurückzulegen. Auf jedem dieser Felder befindet sich eine der fünf Handelsstationen der Ostindien-Kompanie, wo die begehrten Waren Tee, Porzellan, Ingwer, Pfeffer, Baumwolle, Seide und Muskat feilgeboten werden.
Zu Beginn einer Runde wird jeweils eine durch einen Würfelwurf bestimmte Anzahl an Schiffskarten unter den Spielern versteigert. Links vom Startspieler ausgehend, bieten die Spieler reihum ihre Beträge. Geboten wird stets für das ausliegende Gesamtpaket. Wer das höchste Gebot abgibt, erhält dieses. Zahlungsmittel sind die überall anerkannten Wechsel, der Höchstbietende zahlt sein Gebot aus, indem er die entsprechende Anzahl Wechsel an seine Mitspieler möglichst gleichmäßig verteilt. So ist gewährleistet, dass die Finanzkraft ständig im Fluss ist.
Als nächstes folgen die Aktionen der Spieler. Zur Auswahl stehen zwei Aktionsmöglichkeiten – Karten ziehen oder Karten ausspielen. Im Normalfall entscheidet man sich für die zweite Alternative, wenn man dazu in der Lage ist. Schiffskarten dürfen nämlich nur dann ausgespielt werden, wenn der Spieler dadurch bei einer der fünf Kompanien eine Mehrheit erzielt, oder diese schon bei Beginn seines Zuges besessen hat. Wer die meisten Schiffskarten einer Kompanie offen vor sich ausliegen hat, nimmt sich zum Zeichen der Dominaz das entsprechende Kompanie-Siegel. Auf einer Skala auf dem Spielplan wird genau angezeigt, wieviele Karten insgesamt ausgespielt wurden und wieviele von welcher Kompanie. Sobald nämlich 25 (bzw. 21 bei einem 3-Personen-Spiel) Karten ausliegen, kommt es zu einem Piratenüberfall, indem die Piraten alle Schiffe derjenigen Kompanie(n) versenken, von der die meisten Karten ausliegen. Diese Karten werden entfernt und auf den Ablagestapel gelegt, der Marker auf der Skala wird um die entsprechende Anzahl Felder zurückgesetzt. Die Meere scheinen wieder sicher, doch die nächsten Piraten lauern schon...
Hat ein Spieler keine entsprechende Mehrheit und auch nicht die entsprechenden Karten auf der Hand um eine solche zu erreichen, muss er zwei Karten vom verdeckten Stapel ziehen. Damit ist sein Zug beendet. Andernfalls darf er seine Kaufmannsfigur auf die nächste Handelsstation der Kompanie ziehen, dessen Siegel er ausliegen hat. Er nimmt sich das Plättchen und lagert eine Warenkiste in dem Kontor mit dem gleichen Warensymbol auf dem Feld der entsprechenden Kompanie. Diese Kontore bilden den Schlüssel zum Sieg.
Für jede Warensorte gibt es ein Kontor, das jede Kompanie jeweils einmal mit dieser Ware beliefert. Ziel ist es, in möglichst vielen Kontoren die Mehrheit an Warenkisten zu erlangen. Dies schafft ein Spieler aber nur dann, wenn er im Laufe des Spiels möglichst viele Mehrheiten an Kompanien besitzt, denn jede Kompanie bietet die Warensorte eines Kontors nur einmal feil. Darüber hinaus können die Spieler ihre gesammelten Handelsstationen ebenfalls gegen Goldstücke eintauschen, auch hier gilt das Prinzip: je mehr verschiedene, desto mehr Goldstücke. Abschließend erhält noch der Spieler mit den meisten Wechseln am Spielende eine Gratifikation, wie auch jedes Siegel am Schluss noch zwei Goldstücke wert ist.
BATAVIA, ein taktisches Versteigerungs- und Mehrheitenspiel mit einfachen Regeln, die schnell verinnerlicht sind und somit zum schnellen Losspielen einladen. Das Prinzip der Versteigerung ist recht interessant gemacht, da im ganzen Spielverlauf keine weiteren Zahlungsmittel mehr ins Spiel kommen. Die Wechsel teilen sich immer zwischen den Spielern auf. Hat ein Spieler mehrfach Schiffskarten ersteigert, stärkt er zwangsläufig die anderen Spieler und muss sich eine Zeit lang zurückhalten, bis er seinerseits wieder genügend Wechsel von den anderen Spielern erhalten hat. Dadurch entsteht ein sehr ausgewogenes Verhältnis.
Wer zu viele Schiffskarten ausliegen hat, läuft Gefahr bei einem Piratenüberfall viel zu verlieren. Das Provozieren eines solchen Piratenüberfalls ist aber auch ein sehr nützliches taktisches Element. Auf diese Weise kann man elegant Mehrheiten der Mitspieler vom Tisch entfernen und im Anschluss daran ein Siegel mit nur wenigen Schiffskarten übernehmen.
Nicht zu unterschätzen ist der Umstand, dass bei der Versteigerung der Schiffskarten auch die Position des Startspielers mitversteigert wird. So kann mit unter die Reihenfolge entscheidend sein, ob ein Spieler vor einem Konkurrenten auf eine bestimmte Handelsstation ziehen kann, um sich damit die Mehrheit in einem Kontor zu sichern.
Die zufällige Zufuhr an neuen Schiffskarten stellt einen vertretbaren Glücksfaktor dar, der für eine stetige Ungewissheit sorgt, ob und welche Mehrheiten in der nächsten Runde in Gefahr sind.